Reading Maaz: Die narzisstische Gesellschaft

Gier – den Hals nicht vollkriegen zu können –, so lautet die mit Abstand häufigste Antwort auf die Frage nach den tieferen Ursachen der Krise unseres Gesellschaftssystems. Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.

Er zeigt, dass Gier, sei es nach Geld oder nach anderen Lebensvorteilen, Ausdruck einer narzisstischen Störung ist. Der narzisstische Mensch ist ein um Anerkennung ringender, stark verunsicherter Mensch. Er tut alles, um die Bestätigung, die er zum Leben braucht, zu erhalten – durch Konsum, Besitz, Animation und Aktion. Gier ist ein zentrales Symptom der narzisstischen Bedürftigkeit der meisten Bürger der westlichen Konsumgesellschaften. Besonders ausgeprägt ist diese Störung bei den Trägern gesellschaftlicher Macht: bei Politikern, Managern und Stars. »Politik«, schreibt Hans-Joachim Maaz, »ist narzissmuspflichtig«. Er plädiert dafür, dass wir uns von der Wachstumsideologie ebenso wie von der Leistungsgesellschaft verabschieden.